Beachten Sie bitte vor Nutzung der Webseite die Datenschutzerklärung. Mit Nutzung der Webseite akzeptieren Sie diese.

Albumbesprechung Wacholder - Crystal Palace

Interpret: Wacholder

Titel: Crystal Palace

Erscheinungsjahr: 1978

Genre: Fusion, Prog, Kraut

Bewertung: 7 von 10  (7/10)

 

Rezension/Review

Crystal Palace ist der Titel eines Albums der Berliner Band Wacholder. Das Album erschien im Jahr 1978.

Um Verwechslungen zu vermeiden: es handelt sich um eine Band aus Berlin und nicht um die namensgleiche Folkband Wacholder aus Cottbus. Diese Berliner Band bestand aus Mathias Berner (Bass, Gesang), Jakob Peter (Schlagzeug), Christoph Rinnert (Gitarre, Gesang), Martin Roeder (Gitarre, Gesang) und Michael Gerlach (Keyboards, Gesang, Gitarre). Außerdem auf dem Album dabei war Stephan Rinnert (Violine), ich weiß nicht, ob er zu dem Zeitpunkt festes Bandmitglied war. Die hatte zwischenzeitlich auch die Sänger Andreas Ecker und Helmut Hirt dabei.

Wacholder hatten sich nach meinem Kenntnisstand ca. 1977 in Kladow/Spandau in Berlin zusammengefunden. Die Band spielte relativ oft an allen möglichen Auftrittsorten im Raum Berlin, produzierte 1978 mit eigenen Mitteln ein Demo und machte daraus später eine selbst produzierte LP. Über die Auflage und die Verkaufszahlen liegen mir keine Daten vor. Aber mit ziemlicher Sicherheit dürfte das Album damals über den Berliner Raum hinaus weniger bekannt geworden sein. Durch die Verbreitung im Internet ist Wacholder heute zwar bekannter, die Band findet aber bislang wenig Erwähnung z. B. in einschlägigen Prog-Foren.

Die Musiker selbst waren einem alten Zeitungsbericht zu Folge mehr oder weniger gut musikalisch ausgebildet und hatten teilweise Studioerfahrung, sie agierten zu der Zeit aber maximal Semi-Professionell. D. h. man ging in der Regel einem Beruf nach oder konzentrierte sich noch auf die Schule. Namentlich ist mir heute vor allem Keyboarder Michael Gerlach ein Begriff, er arbeitete später mit Frank Bornemann bei Eloy zusammen. Christoph Rinnert wurde zu einem bekannten Auftragskomponisten, er ist zudem bei der GEMA tätig.

Soweit, so gut. Musikalisch haben wir ein Album vorliegen, welches man im weiten Feld des Progressive-Rock einordnen könnte. Da gibt es Elemente aus Jazz-Fusion ebenso wie aus dem melodiösen Rock, insofern könnte man nach meiner Ansicht durchaus von einer Form des Prog sprechen.

Die Songs

  • Der Opener Der Sünder würde das alles auf jeden Fall bestätigen, die Band legte ein Instrumental vor, welches eine Art Melodic-Rock mit Proganteilen ist.
  • Der Quasimodo-Bar-Blues dagegen würde eher die Einschätzung bestätigen, dass es sich um eine Formation mit jazzigem Background handelt. Über eine Art Vamp spielt die Band hier zumindest eher jazzig bzw. im Bereich funky Fusion.
  • Time Of Your Life wird mit leicht schwelgerischen Rhodes in einen rockigen Song geführt, wobei es auch hier ab und zu Richtung Fusion geht (mit gewissen Timing-Problemen, vielleicht auch verstärkt durch die Abmischung).
  • Marokko nimmt den Hörer mit verminderten Läufen auf die Reise nach Nordafrika mit. Es ist der erste Track mit Gesang, der Denglisch ausfällt und u. a. deshalb auch eine Nähe zum Kraut aufkommt.
  • Tolstefanz ist der nächste Track mit Gesang und es gilt ähnliches wie zuvor: der Song wirkt ein gutes Stück krautiger.
  • Das abschließende Känäbis schließt sich an. Akustikgitarre mit leicht denglischem Gesang macht einfach ein leicht krautiges Flair. Hier entwickelt sich aber ein Song, den man im weiteren Sinn dem Space-Rock zuordnen könnte.

Fazit Wacholder legten mit diesem Album etwas vor, das man nicht ganz so gut einordnen kann. Sagen wir es mal so: Seite 1 der LP könnte man im Bereich des instrumentalen Prog/Fusion oder Melodic-Rock einordnen. Seite 2 dagegen klingt nicht nur wegen des Gesangs anders, im weitesten Sinn könnte man hier von einem krautigen Space-Rock sprechen. Man sollte in dem Zusammenhang berücksichtigen, dass die Aufnahmen nach meinem Kenntnisstand in Eigenregie mit zwei Revox und einem 4-Spur Mischer erfolgten. Es hat für mich auch den Anschein, dass die damalige erste Seite möglicherweise nach der zweiten Seite aufgenommen wurde. Zumindest klingt es so. So oder so haben die Musiker das Beste draus gemacht. Wenn man unterstellt, dass sie kein Profi-Studio hatten ('aufgenommen bei Gerlachs') und nach meinem Kenntnisstand damals auch noch recht jung waren, ist das Ergebnis mehr als akzeptabel. Die Musiker deuteten an, dass sie Potenzial haben. Wer sich für den klassischen Rock aus Deutschland interessiert, sollte das Album gehört haben. Man muss zwar nicht alles in eine Art Adelsstand erheben, aber für mich ist es doch ein Album, welches gut in die Kategorie Hidden Gem passt. Alleine wegen der bis heute vergleichsweise geringen Verbreitung, die in einem denkbar schlechten Verhältnis zum Gebotenen steht.

Rezensent: MP


Trackliste
  1. Der Sünder 5:50
  2. Quasimodo-Bar-Blues 7:12
  3. Time Of Your Life 5:15
  4. Marokko 7:30
  5. Tolstefanz 5:21
  6. Känäbis 5:15