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Buchbesprechung Ulli Engelbrecht - Samtcord, Strass & Soundgewitter

Autor: Ulli Engelbrecht

Titel: Samtcord, Strass & Soundgewitter

Erscheinungsjahr: 2009

ISBN 978-3-8391-7341-1

Paperback, 184 Seiten

 

Rezension/Review

Samtcord, Strass & Soundgewitter ist ein Taschenbuch von Ulli Engelbrecht. In den 32 kurzen Rockstories werden schwerpunktmäßig die 1970er und 1980er Jahre verarbeitet. In erster Linie geht es um das Musikgefühl jener Zeit, aber damit natürlich auch um das Lebensgefühl dieser Zeit. Engelbrecht hat, nach eigener Aussage "den Rücksturz gewagt, meinen Gedankenschrott sorgfältig sortiert und als handliche Lese-Häppchen aufbereitet."

Es handelt sich dabei um erlebtes Leben oder zumindest um Geschichten, die so oder so ähnlich überall hätten passieren können. Tatsächlich ist das auch so, denn die (Musik)welt war damals doch noch relativ klein und das Leben außerhalb der ganz großen Städte hat sich doch irgendwie geähnelt. Mir wurde das jedenfalls nach dem Lesen einmal mehr klar.

Wenn Engelbrecht von seiner Zeit als Messdiener erzählt, dann werden wohl bei so manchem Erinnerungen wach. Und wenn er konstatiert, dass die Mädchen plötzlich so einen Glanz in den Augen hatten wenn man Gitarre spielen konnte, dann dürfte auch das Erinnerungen wecken.

Tatsächlich waren diese Jahrzehnte für viele ab Baujahr Mitte der 1950er bis Ende der 1960er prägend. Nicht für alle, aber doch für viele. Und besonders für die ist das Buch eine mehr als vergnügliche Zeitreise. Man ertappt sich immer wieder dabei, wie man schmunzelnd zu den Stories nickt und leise formt sich ein Mensch, das waren noch Zeiten.

Ulli Engelbrecht schafft es, im Rahmen der Geschichten einen richtig guten Abriss der Zeit zu formulieren. Man fühlt sich zurückversetzt ins Jugendzentrum, der süßliche Geruch von Klangwolken, Patchouliwolken und sonstigen Wolken schwingt plötzlich im Raum. Man steht praktisch mit Can auf der Bühne und wird in einem hochmeditativen Zustand von der Feuerwehr jäh aus den musikalischen Höhen gerissen. Man nickt leise (aber so, dass es niemand sieht), wenn Golden Earring als eine nichtssagende Band charakterisiert wird und stimmt zu, dass einem Amon Düül II erst mal gar nichts sagte außer Lärm. Man möchte fast selbst die AOR-Scheiben im Club herunterschmeißen und sich dann zu Shine You Crazy Diamond andersweitig vergnügen. Auch hier hätte das mit dem Lambrusco Bad überall genau so passieren können. Und man fühlt sich durchaus unangenehm berührt, wenn die Rede auf Modern Talking kommt. Aber auch das gehörte eben zu der Zeit.

Lieber Ulli Engelbrecht: man soll ja nicht in der Vergangenheit leben. Aber sich der sentimentalen Erinnerung hinzugeben, macht beim Lesen dieses Buches wirklich enorm viel Spaß. Ich möchte das Buch jedem dringend empfehlen, der in den 1970ern und 1980ern einigermaßen gelebt und diese Phase auch erlebt hat. Irgendwie war die Welt damals doch relativ klein. Deshalb habe ich auch sofort meine Plattensammlung durchsucht und konnte erleichtert feststellen - ich habe die verschwundene Little Feat Platte nicht! Auszuschließen wäre es aber nicht gewesen.

Rezensent: MP

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